von Pauline Noël
In unserer modernen Gesellschaft sind wir umgeben von Möglichkeiten der Vernetzung, doch gleichzeitig mangelt es an einem elementaren Bedürfnis: Berührung. Berührung, die ursprünglichste Form der menschlichen Kommunikation, wird in unserer heutigen Welt oft vernachlässigt, als wäre sie nebensächlich – dabei ist sie essenziell für unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit.
Berührung und ihre medizinische Bedeutung
Aus medizinischer Sicht ist Berührung viel mehr als nur körperlicher Kontakt. Berührung aktiviert das Lymphsystem und unterstützt die Entgiftung des Körpers. Sie fördert die Ausschüttung wichtiger Neurotransmitter wie Oxytocin, das unser Bindungsgefühl stärkt, Vertrauen schafft, Stress reduziert und sogar das Immunsystem stärkt. Berührung hat die Kraft, den Vagusnerv zu regulieren, was wiederum unseren Blutdruck senkt, die Atmung vertieft und das parasympathische Nervensystem aktiviert – den Teil unseres Nervensystems, der für Entspannung und Regeneration verantwortlich ist.
Berührung und unser Bindegewebe
Ein oft vernachlässigter, aber entscheidender Aspekt ist die Wirkung von Berührung auf unser Bindegewebe. Durch Berührung wird das Gewebe weicher und Spannungen können sich lösen. Nicht verarbeitete Emotionen, die in unserem Gewebe gespeichert sind, können sich hierdurch schrittweise abbauen. Denn unser Bindegewebe ist nicht nur eine Hülle – es ist eine Versorgungs- und Drainagebahn, durch die Lymphe, Nerven und Blutgefäße verlaufen, die unsere Organe und Zellen nähren und Stoffwechselabbauprodukte abtransportieren. Ist diese Versorgungsbahn verspannt oder blockiert, wird die Versorgung der Organe beeinträchtigt. Berührung in Kombination mit Yoga fördert somit die Beweglichkeit und Durchlässigkeit des Bindegewebes und unterstützt den reibungslosen Ablauf der körpereigenen Versorgungsprozesse.
Der frühe Ursprung des Berührungsbedarfs
Selbst als Embryo genießen wir die sanfte Umhüllung des mütterlichen Uterus, der uns Halt und Schutz bietet. Diese tief verankerte Erinnerung an Berührung lässt uns auch im Erwachsenenalter durch eine liebevolle Berührung, beispielsweise von hinten, Geborgenheit und ein tiefes Gefühl der Verbundenheit empfinden. Berührung hilft uns, uns selbst zu spüren und uns in unserem Körper zu verankern.
Bedingungslose Berührung und ihre heilende Kraft
In einer Gesellschaft, die Berührung oft an Bedingungen knüpft oder missbraucht, ist bedingungslose, liebevolle Berührung eine seltene Kostbarkeit. Sie kann uns in körperlichen und emotionalen Herausforderungen unterstützen und fördert nachweislich unsere Balance und unser Wohlbefinden. Die Qualität und die Intention der Berührung sind dabei entscheidend: Berührung sollte stets respektvoll, sicher, präsent und mitfühlend sein. Diese Berührung nährt und heilt.
Die Rolle von Berührung im Yogaunterricht
Besonders im Yogaunterricht haben wir als Lehrerinnen die einzigartige Möglichkeit, unsere Schülerinnen durch sanfte und achtsame „Hands-On“-Assists zu unterstützen. Wenn diese Berührungen willkommen sind, bieten sie den Schüler*innen Raum, loszulassen, Spannungen zu lösen und sich selbst auf einer tieferen Ebene zu spüren. Gerade in dieser geschützten und achtsamen Umgebung kann Berührung ein kraftvolles Werkzeug sein, das den Weg zur inneren Balance und Entspannung ebnet.
Gute Berührung kann man lernen
Die gute Nachricht ist: Qualitativ hochwertige und wohltuende Berührung kann gelernt werden! In der Yoga 200Ausbildung ist das Yoga & Healing Advanced Hands On-Modul speziell darauf ausgerichtet. Hier wird die Philosophie der Berührung gelehrt, die Qualität der Berührung geschult und dynamische Assistenzen sowie Hands-On-Techniken für liegende und stehende Asanas vermittelt. Dieses Modul bietet Yoga-Lehrerinnen eine fantastische Möglichkeit, die Kunst der respektvollen, unterstützenden und heilenden Berührung zu vertiefen. Mit den richtigen Techniken und einem klaren Bewusstsein für Intention und Qualität wird Berührung zu einer wertvollen Ressource, die nicht nur den Schülerinnen, sondern auch den Lehrenden selbst gut tut.
Warum Berührung wichtiger denn je ist
In einer Zeit, in der so viele von uns Berührungsmangel erleben, sollten wir uns daran erinnern, wie kraftvoll Berührung tatsächlich ist. Sie ist einfach, doch gleichzeitig ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Gesundheit und unseres Wohlbefindens. Lassen wir Berührung wieder zu einem festen Teil unseres Lebens werden – respektvoll, sicher, präsent und liebend. Erlernen wir wieder die Kunst der Berührung.
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