von Christina Beste, Teilnehmerin YOGA 300 2024

Die 1927 geborene brasilianische Psychologin Dinah Rodrigues entwickelte im Jahre 1992 eine Übungsreihe, die aus Elementen des Hatha Yoga, Übungen aus dem Kundalini Yoga und Tibetischen Energieübungen besteht: Hormon Yoga war geboren.
Zu dem Zeitpunkt war sie 63 Jahre alt, praktizierte bereits jahrelang intensiv Hatha Yoga und erfreute sich einer einwandfreien Gesundheit.
Ziel dieser Übungsreihe ist es, den Hormonspiegel, insbesondere auf dem Weg in die Wechseljahre, zu heben und somit typische Symptome, die während des natürlichen Hormonabfalls auftauchen können, wie z.B. Schlafstörungen, Energielosigkeit, Stimmungsschwankungen, Haarausfall, sinkende Libido oder Gewichtszunahme abzumildern.
Durch die gezielte Energielenkung zu den Drüsen und Organen, in denen Hormone produziert werden, soll hormonellen Dysbalancen entgegengewirkt werden.
Das Funktionsprinzip von Hormon-Yoga basiert auf 2 Grundlagen:
• Stimulation der 3 wichtigsten für die Regulation des weiblichen Sexual-Hormonhaushalts zuständigen Hormondrüsen Hypophyse, Schilddrüse und Eierstöcke. Die Asanas werden mit den Techniken aus dem Pranayama verbunden, zusammen mit dem Einsatz der Bandhas (die „Verschlüsse“ des Körpers) wird die Lebensenergie gezielt zu den Hormondrüsen gelenkt.
• Entspannungs- und Visualisierungstechniken
Die sind ein nicht zu unterschätzender Faktor: mentale Entspannung, innere Ausgeglichenheit und Ruhe schaffen die Basis dafür, dass sich hormonelles Gleichgewicht im Körper einstellen kann.
Rodrigues selbst führte zuletzt 2001 eine wissenschaftliche Untersuchung zur Hormon-Yoga Praxis durch. Die beeindruckenden Resultate können im Buch „Hormon-Yoga“ nachgelesen werden.
Nicht nur Frauen kurz vor den Wechseljahren, sondern alle gesunden Frauen ab 35 profitieren von der Hormon-Yoga-Praxis, denn bereits ab diesem Alter fährt die Hormonproduktion deutlich runter. Auch Frauen mit verfrühter Menopause, PMS, unregelmäßigem Zyklus oder Kinderwunsch profitieren sowohl von den aktivierenden, als auch entspannenden Übungen.
Bei hormonell bedingten Krankheiten (z.B. hormonell bedingter Brustkrebs), in der Schwangerschaft, während der Menstruation, bei akuter Endometriose, bei großen Myomen in der Gebärmutter (größer als 4 cm), bei Entzündungen im Bauchraum, bei starker Osteoporose, bei akuten oder schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie nach Herzoperationen und bei schweren, behandlungsbedürftigen Depressionen sollte Hormon-Yoga nicht praktiziert werden.
Die 14 Übungen sollten hintereinander, idealerweise täglich, mindestens jedoch 3-5 x pro Woche, am besten morgens, praktiziert werden. Vor Beginn der Durchführung von Hormon-Yoga ist es empfehlenswert, sich von einer erfahrenen Hormon Yoga Lehrerin in die Übungen einführen zu lassen. Dabei hast du die Möglichkeit, theoretisches (und interessantes!) Hintergrundwissen zu sammeln und Übungen ggf. an deine körperlichen Bedürfnisse anzupassen. Ausgestattet mit dem Wissen zur sicheren Durchführung der Übungen, kannst du jederzeit und überall loslegen. Geübte benötigen ca. 30 Minuten für die gesamte Serie.
Weibliche Geschlechtshormone
• Östrogene regen u.a. das Wachstum der Brustdrüsen an, regeln den weiblichen Zyklus und die sexuelle Lust. Darüber hinaus schützen Östrogene vor Trockenheit der Haut und der Scheide. Sie sind wichtig für die Knochengesundheit, schützen vor Harnwegsinfektionen und fördern die Gedächtnisleistung. Östrogene sind an der Blutdruckregulation beteiligt, beeinflussen die Zusammensetzung der Fette im Blut sowie den Zuckerstoffwechsel positiv und schützen vor Gefäßverkalkung.
• Progesteron hilft, die Libido um den Eisprung herum zu steigern, und bereitet den Körper optimal auf eine Schwangerschaft vor, hält z.B. die Gebärmutterschleimhaut bereit für die Ei-Implantation, unterstützt die gesunde Blutgerinnung etc.
• Progesteron- und Östrogenhormone ergänzen sich gegenseitig, sodass Östrogene dominieren, wenn nicht genug Progesteron vorhanden ist. Das kann zu Stimmungsschwankungen, Depressionen, geringer Libido, Gewichtszunahme, starkes Bluten, unregelmäßiger Zyklus, PMS oder Brustspannen führen.
Hierbei ist interessant, dass dein Körper, als Teil seiner Flucht- oder Kampfreaktion, immer das Überleben der Fortpflanzung vorzieht, so dass das Gehirn den Drüsen signalisiert Cortisol (Stresshormon) anstelle von Progesteron zu priorisieren bzw. zu produzieren. Durch die Priorisierung von Cortisol werden die Progesteronrezeptoren blockiert, was bedeutet, dass das Progesteron nicht effizient genutzt werden kann.
Essenziell für die Ausführung der Hormon-Yoga Übungsserie sind u.a. die beiden
Pranayama Übungen, Bhastrika, (Blasebalg-Atmung) und Ujjayi (Siegreiche Atmung).
· Bhastrika ähnelt ein wenig der Kapalabhati Atmung, mit dem Unterschied, dass bei Kapalabhati vor allem die Ausatmung kraftvoll und aktiv ist – bei Bhastrika aber sowohl Ein- als auch Ausatmung gleich lang und gleich kräftig sind.
Am leichtesten startest du, indem du kräftig und mit einem Stoß ausatmest, dabei zieht sich dein Bauch nach innen, so als ob du alle Luft, die du im Bauch hast, rausbefördern möchtest. Atme anschließend langsam und kräftig wieder ein. Dein Bauch wölbt sich dabei nach außen, der Brustkorb hebt und weitet sich. Wiederhole das mehrmals, und versuche dabei, Ein- und Ausatmung möglichst gleich lang erfolgen zu lassen, und den Körper (bis auf den Bauch natürlich) möglichst ruhig zu halten. Dies ist eine kraftvolle Atemtechnik, Bauchmuskeln und Zwerchfell sind gefordert und du bekommst sicherlich schnell eine Art „einheizendes“ Gefühl, und genau das soll auch erreicht werden, es soll das Verdauungsfeuer anregt werden. Dazu wirkt diese Atmung reinigend und entgiftend. BKS Iyengar (indischer Yogalehrer, 1918 - 20214) sagt über Bhastrika: „Bhastrika Übungen klären die Nebenhöhlen und beenden Nasenlaufen. Sie erzeugen eine gehobene Stimmung.“ Die Blasebalg-Atmung gilt außerdem als eine gute Vorbereitung auf die Meditation.
· Ujjayi Atmung: Stell dir vor du hauchst einen Spiegel an, nur mit geschlossenem Mund. Es entsteht ein feines Rauschen in deiner Kehle. Versuche das Ganze vorerst mit dem Ausatmen, wenn du damit vertraut bist, atme auch in der Einatmung mit dem Rauschen weiter. Lasse deine Atmung dann entspannt länger und feiner werden. Was anatomisch passiert ist eine Verengung der Stimmritzen, das heißt du kannst deine Luft besser dosieren. Ähnliche Erfahrungen machen wir etwa beim Flüstern oder Singen. Durch das entstehende Rauschen gibt es einen akustischen Ankerpunkt für deine Präsenz. Ujjayi soll helfen, Hitze und Feuchtigkeit im Körper zu halten.
Auf yogaeasy.de gibt es sehr gute Erklär-Videos von Lalla Turske zu beiden Techniken.
· Ein Mudra ist eine symbolische Handgeste oder Körperhaltung, die während der Meditation, einem Gebet, oder anderen rituellen Handlungen, ausgeführt wird. Traditionell werden Mudras verwendet, um Prana (Lebensenergie) zu lenken und zu erhöhen, was dazu beiträgt, einen Zustand der Mukti (Befreiung) zu erreichen. In der spirituellen Praxis werden Mudras eingesetzt, um die Konzentration zu vertiefen, energetische Kanäle (Nadis) zu öffnen oder eine bestimmte Bewusstseinsebene zu erreichen. Einige Mudras werden auch zur Förderung der körperlichen und geistigen Gesundheit eingesetzt. Es wird angenommen, dass sie den Energiefluss im Körper ausgleichen und bestimmte Organe oder Systeme stimulieren können.
Im Hormon-Yoga spielen Mudras eine wichtige Rolle. Um die so wichtige Energielenkung vollziehen zu können, die eine Hauptrolle während der gesamten Übungsserie spielt, verwenden wir das sogenannte Khecari Mudra. Dieses wird mit der Zunge ausgeführt. Dabei wird die Zunge im Mund nach hinten oben eingerollt und die Zungenspitze an den weichen Teil des Gaumens gelegt. Dieses Mudra brauchen wir für die Energielenkung. Zusammen mit der Atmung und den Bandhas lenken wir die Energie dann in unsere Hormondrüsen.
Beim Hormonyoga benötigen wir das Nasagra Drishti – Blick bzw. Konzentration zur Nasenspitze. Das ermöglicht uns die vorher gesammelte Energie zu bündeln.
Viele kennen das von Balance-Übungen, z.B. dem Baum, hier wird auch ein Fixpunkt (Drishti) empfohlen, um nicht umzukippen. Das Training des richtigen Sehens, des Sichtbaren und des für uns vermeintlich Unsichtbaren, ist ein wesentlicher Bestandteil des Yoga und der Meditation.
Beim Hormon-Yoga wird mit den 3 Bandhas Mula Bandha (Wurzelverschluss/ Beckenbodenaktivierung), Uddiyana Bandha (Nabelverschluss/ Baucheinziehen) und Jalandhara Bandha (Kehlkopfverschluss) gearbeitet. Für das Setzen aller Bandhas benötigst du etwas Übung und am besten die Anleitung einer erfahrenen Yogalehrerin. Aber für den Anfang reicht das Setzen von Mula Bandha für die Wirkung aus. Das Anspannen der Schließmuskeln hilft uns, die angereicherte Energie nicht zu verlieren, sondern, sie vom Wurzelchakra an, wieder aufwärts steigen zu lassen.
Energielenkung: Jede Übung im Hormon-Yoga wird damit beendet, dass wir die Energie fließen lassen und danach zu den Organen lenken, die wir bearbeiten wollen.
Dies ist der Ablauf:
1. Einatmen und die Luft anhalten
2. Zungenspitze an den weichen Gaumen legen
3. Konzentration zur Nasenspitze (gibt die Richtung an)
4. Mula Bandha (Kontraktion Schließmuskel/ Damm)
5. Konzentration auf die Stelle, die aktiviert werden soll
6. Langsam ausatmen zur der Stelle, die du bestimmt hast
Klingt erstmal technisch, klappt jedoch nach ein paar mal Üben wie von selbst.
Überblick über die 14 Übungen (mit Aufwärmübungen)
Aufwärmübungen
1. Schultern (Nabel bei Ausatmen stark in Richtung Wirbelsäule ziehen)
2. Körperseiten (Erst 7 x links einatmen, dann 7 x rechts einatmen)
3. Hüftschwingen, Knie leicht gebeugt, Hände verschränkt im Nacken (Erst 7 x links einatmen, dann 7 x rechts einatmen)
4. Fliegende Haare mit verhalten Händen (7 x linksdrehend einatmen und 7 x rechtsdrehend einatmen)
5. Katze-Pferd oder sitzende Katze
6. Dehnung der Beine im Liegen (3 x zu jeder Seite) oder Dehnung im Stehen (einatmen hoch, ausatmen runter: 7 x rechten Fuß vor linken, 7 x linken Fuß vor rechten)
14 Übungen:
1. Drehsitz - Matsyendrasana
2. Seitliche Dehnung - Mahasana
3. Muslimische Gebetshaltung
4. Vereinfachter Diamantschlaf oder vollständiger Diamantschlaf (mit Bauchkontraktion)
5. Schönheit es Gesichts – 5 Prana-Wellen
6. Entspannung mit Lenkung des Energieflusses zu Eierstöcken und Schilddrüse
7. Schulterbrücke – Vilomasana
8. Slimming Exercise (oder Schilddrüsenausgleich mit 3 Bandhas)
9. Aktivierung der Eierstöcke – Janushirshasana oder Sthambhasana
10. Aktivierung es Stoffwechsels – Suryabedhana
11. Viparita Karani (6 Sequenzen)
12. Energetische Harmonisierung für Eierstöcke, Schilddrüse und Hypophyse
13. Energetische Harmonisierung der beiden Pole (und Nebennieren)
14. Leitung der Energie zum Erwärmen von Händen und Füßen
Der Körper kann nicht zwischen einer Erfahrung und einem Gedanken unterscheiden. Du kannst deine Biologie, deine neuronalen Schaltkreise, Chemie, Hormone und Gene buchstäblich verändern, indem du einfach nur eine innere Erfahrung machst.
Dr. Joe Dispenza
Quellenverweise:
Yoga Easy, Yoga Vidya, astridnoehring.de
Buch Hormon Yoga von Dinah Rodrigues
Buch Yoga für Fortgeschrittene von A. Trökes und R. Steiner
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