Jivamukti Yoga
- Anikka Möbius
- 9. Apr.
- 7 Min. Lesezeit
von Anikka Möbius, Teilnehmerin YOGA 300/ 2021-2022 und YOGA 200/ 2024-2025

Hintergrund
Jivamukti Yoga wurde 1984 vom amerikanischen Künstlerpaar Sharon Gannon und David Life entwickelt, mit dem Ziel, die Weisheit der Veden dem modernen Großstadtmenschen näher zu bringen.
Jivamukti Yoga ist ein moderner, fließender Yogastil und eine Abwandlung von Hatha Yoga, der vor allem in der amerikanischen Kultur großen Zulauf findet.
Im Vordergrund stehen Spiritualität, Ahimsa und schweißtreibende Flows.
Geschichte
Das Wort "Jivamukti" kommt von dem Sanskrit-Wort "Jivanmuktih". Jiva bedeutet "lebende Seele" und Mukti bedeutet: „Befreiung von dem Kreislauf von Tod und Wiedergeburt“.
Insofern lässt sich sagen, die Jivamukti-Methode ist die "Befreiung noch während des Lebens".
Jivamukti Yoga wurde 1984 von der Tänzerin und Musikerin Sharon Gannon und ihrem Partner, dem Künstler und Café-Besitzer David Life, in New York ins Leben gerufen.
Gannon und Life trafen sich 1982 in Manhattan.
Zusammen reisten sie nach Indien, nahmen dort an einem Sivananda Yoga-Lehrer-
Ausbildungsprogramm teil und trafen Swami Nirmalananda.
Gleich nach ihrer Rückkehr gründeten sie im East Village von New York City die erste Jivamukti Yoga Society. Das daraus hervorgegangene Jivamukti Yoga Center entwickelte sich zeitweise zum größten Yoga-Studio in den USA.
Der Erfolg von Jivamukti Yoga beim westlichen Großstadt-Publikum ist leicht erklärt: Sharon Gannon und David Life sind ein fotogenes, charismatisches Künstlerpaar, das schon früh Prominente wie Sting und Madonna in ihr Studio locken konnte.
Ihr Yoga ist ein vom Ashtanga inspirierter dynamischer Stil – ein schweißtreibendes, fließendes Workout, das sich manchmal fast wie ein Tanz anfühlt.
Verstärkt wird das durch den geschickten Einsatz von Musik: Mit Punk, Hip-Hop und Oper gestalten Jivamukti-Lehrer:innen ihre Stunden und leiten so Atem, Energie und Emotionen.
Was steht im Zentrum des Jivamukti Yogas?
Hinter der hippen Kulisse steckt aber mehr. Sharon Gannon und David Life sehen sich nicht nur als Yogalehrer:innen und Künstler:innen, sondern auch als politische Aktivist:innen. Vor allem das Prinzip der Gewaltlosigkeit (Ahimsa) liegt ihnen am Herzen. Am deutlichsten zeigt sich das in ihrem Engagement für den Tierschutz.
Ein anderer wichtiger Aspekt beim Jivamukti Yoga ist das Studium der alten Schriften. In kaum einem anderen westlichen Yogastil können die Schüler:innen den weisen Patanjali so gut zitieren wie beim Jivamukti Yoga. Auch das Singen von Mantren und Meditation spielen beim Jivamukti Yoga eine große Rolle.
Beim Jivamukti Yoga werden die Asanas nicht einzeln hintereinander gehalten, sondern in
choreographierte Bewegungsabläufe fast tänzerisch integriert, so dass die Bewegung zugleich in
starkem inneren Gleichgewicht und mit großer Ruhe ausgeführt werden.
Typisch für ein fortgeschrittenes Jivamukti Yoga sind die fließend-akrobatischen Choreographien, die mit den klassischen Asanas spielerisch umgehen.
Indem auf diese Weise idealerweise geistige Zentrierung, Meditation und Bewegung ineinanderfließen, soll der Praktizierende mit der Zeit von sich aus zu einer verantwortungsbewussteren, ausgeglichenen und glücklicheren Lebenseinstellung finden. Dennoch gehören auch das gemeinsame Singen von Mantren, der Sonnengruß und die Abschlussmeditation zum festen Bestandteil jeder Übungssreihe.
Jivamukti ist also eine körperliche, ethische und spirituelle Praxis, welche einen:
kraftvollen, Vinyasa-orientierten, körperlich betonten Hatha Yoga Stil darstellt.
Jivamukti Yoga versteht sich als Weg zur Erleuchtung durch Mitgefühl gegenüber allen Wesen.
Es verbindet Yoga mit Beachtung fünf zentraler Elemente:
Die 5 Säulen des Jivamukti Yoga
ahimsa = Gewaltlosigkeit, ethischer Veganismus
Ahimsa ist das Praktizieren von Gewaltlosigkeit, also der wohlüberlegte Umgang mit sich selbst
und allen Lebewesen. Ahimsa gründet in Mitgefühl und wird in Patanjalis Yogasutra als das erste
der fünf Yamas (Verhaltensregeln) definiert.
Die Jivamukti Methode lehrt, dass die Praxis von Ahimsa nicht nur auf Menschen sondern auch
auf die Tierwelt bezogen sein soll. Sie befürwortet einen ethischen Vegetarismus nicht nur als
Mittel, menschliches Karma aufzulösen, sondern auch als eine umweltpolitische Notwendigkeit
für das zukünftige Überleben dieses Planeten. Großer Wert wird zudem sozial-politischem
Engagement zugemessen.
bhakti = Hingabe, jede Praxis erhält eine Intention, auch Singen als Ausdruck von Lebensfreude und Demut
Bhakti (wörtl.: Hingabe zu Gott) ist die Praxis von Hingabe und Demut.
Jivamukti Yoga besagt, dass das Ziel der Yoga Praxis die Gottesverwirklichung ist. Dabei kommt
es nicht so sehr darauf an, welcher Art oder Form von Gott die Liebe und Hingabe zugewendet
werden. Hauptsächlich zählt, dass die Hingabe an etwas Höheres als das eigene Selbst oder das
Ego gerichtet ist.
Interreligiöses Verständnis und Toleranz sind wesentliche Konsequenzen in dieser Praxis, und
die Altäre in den Jivamukti Centern sind üblicherweise mit Bildern von den verschiedensten
religiösen und ethischen Persönlichkeiten geschmückt, seien es nun Gandhi, Martin Luther King
und Ingrid Newkirk oder Jesus, Buddha und Krishna.
nadam = intensives Hören nach innen und außen, geübt wird in den Stunden zu besonders
ausgesuchter Musik
Nada Yoga stellt tiefes inneres Hören, Chanting und erlesene Musik in den Mittelpunkt. Seine
theoretischen und praktischen Aspekte basieren auf der Voraussetzung, dass alles, was existiert
und der Mensch einschließlich, aus Klang- oder Tonschwingung besteht, welche "Nada"
genannt wird. Das Ziel des Hatha Yoga ist es, dieses Nada - den tonlosen Ton, der das OM ist -
zu hören. Dazu muss aber zuerst die Fähigkeit des Hörens abgerundet und perfektioniert
werden. Im Jivamukti Yoga wird dies durch Chanten und inspirierende Musik praktiziert.
Im Gegensatz zu vielen anderen Yogaschulen machen Jivamukti Lehrer:innen während der
Yogastunde ihren Schülern die Stellungen nicht vor. Das soll die Schüler ermuntern, eher durch
Zuhören als durch Zuschauen zu lernen. Auf diese Weise wird die Hörfähigkeit sehr wirksam
weiterentwickelt. Sharon Gannon fasst die Absicht dieses Ansatzes wie folgt zusammen: "Aus dem Zuhören geht das Hören, aus dem Hören das Wissen und aus dem Wissen das Werden hervor; und aus dem Werden wird das Sein erst möglich."
shastra = Studium der klassischen Texte wie Patanjalis Yoga Sutra, der Bhagavad Gita oder Hatha Yoga Pradipika
Shastra, oder auch "Yoga-Schrift", bezieht sich auf das Studium und die Erforschung der vier
zentralen Texte des Yoga sowie auch auf das Studium des Sanskrit, der Sprache, in der die Texte
ursprünglich geschrieben worden sind. Diese vier Texte sind die Yogasutras von Patanjali, die
Hatha Yoga Pradipika, die Bhagavad Gita und die Upanishaden.
dhyana = Meditation und Verbindung zu einer spirituellen Einheit
Dhyana oder Meditation, wie sie in der Jivamukti Methode gelehrt wird, ist eine Praxis des
Innehaltens und Stillseins. Es soll in erster Linie das Denken des eigenen Verstandes
wahrgenommen werden. Die Absicht hinter dieser Übung ist es, den Praktizierenden in die Lage
zu versetzen, sich nicht mehr mit seinen Gedanken zu identifizieren. Auf diese Weise wird ihm
bewusst, dass er mehr als seine Gedanken ist. Jeder Jivamukti Unterricht beinhaltet
Meditationsübungen.
Jivamukti Yoga ist mehr als ein Yogastil – es ist eine Art zu leben. Mehr als bei anderen Yogastilen ist das Ziel, auch jenseits der Matte ein Milieu zu kultivieren, das den einzelnen Menschen integriert und ihm oder ihr Orientierung gibt, in Zeiten von Klimawandel und einer Gesellschaft, die die Natur in jeder Hinsicht ausbeutet. Auch wird großer Wert auf die Rechte der Tiere, Veganismus, Umweltschutz und nsoziales Engagement gelegt.
Zentren
Jivamukti führt verschiedene Schulen und angeschlossene Zentren. Lehranweisungen in diesen Schulen basieren auf einer von Gannon und Life entwickelten Philosophie. Diese wiederum gründet in der Führerschaft ihrer Gurus (Lehrer) und ist stark beeinflusst von dem klassischen Yoga, wie es in den Yogasutras von Patanjali, der Bhagavad Gita, in den Upanishaden und dem Hatha Yoga Pradipika beschrieben wird. Wer als Dozent die Jivamukti Yoga Methode in einer der Schulen lehren möchte, muss erst einmal ein anspruchsvolles Trainingsprogramm absolvieren und eine Reihe von Prüfungen ablegen.
2003 eröffnete die Jivamukti Yoga School NYC einen 125 Morgen großen, geschützten Naturpark in den Catskill Mountains, in der Nähe von Woodstock, New York. Er trägt den Namen Wild Woodstock Jivamukti Forest und dient auch als Land-Ashram für die Jivamukti Yoga School, ist zugleich aber vor allem Zufluchtsort und umweltfreundlicher Lebensraum für viele verschiedene Pflanzen- und Tierarten.
Was erwartet mich in einer Jivamukti-Yogastunde?
Basierend auf den fünf Säulen sind Jivamukti-Yogastunden körperlich und intellektuell anregend. Sie enthalten eine ununterbrochene Vinyasa-Yoga-Sequenz, stehende und sitzende Positionen, Rotationen, Umkehrstellungen, Atemübungen und Tiefenentspannung. Die Sequenzen wechseln immer wieder und werden unterstützt durch erhebende Musik aus allen Traditionen. Damit integriert es den physischen, psychischen und spirituellen Aspekt der Yoga-Praxis.
Es gibt verschiedene Unterrichtsklassen:
Open (Offener Unterricht)
Der Jivamukti Unterricht "open classes" fokussiert ein Thema, welches weltweit monatlich mit
dem Essay "focus of the month" veröffentlicht und üblicherweise von Sharon Gannon
geschrieben wird. Das Thema wird erkundet und verinnerlicht durch "Dharma talks" (verbaler
Austausch über Ethik und Moral), Sanskrit Chanting (Singen von Mantras), Reflektionen über die
Bedeutung der Yogaschriften in der heutigen Zeit, Musik, Asanas (Stellungen), Pranayama
(Atemübungen) und Meditation.
Basic (Grundkurs)
Der Jivamukti "Basic Class" Unterricht ist als ein 4-Wochen-Grundkurs ausgelegt, der jede
Woche einen anderen Aspekt von Yoga behandelt.
Während in den Kursen Beginner Vinyasa und Open Classes das Vinyasa-Yoga Programm im
Vordergrund steht, so betont der Basic Grundkurs hier Zentrierung und Angleichung. Die
Schüler werden gelehrt, wie sie die Asanas korrekt ausführen können und welche Hilfsmittel
wie benutzt werden. Der Kurs Basic legt sozusagen das Fundament, um eventuell später am
offenen Unterricht oder sogar an dem Spiritual Warrior Unterricht teilzunehmen.
Beginner Vinyasa (Vinyasa Anfänger Kurs)
Dieser Jivamukti Unterricht ist so gestaltet, dass der Anfänger-Schüler mit grundlegenden
Kenntnissen ausgestattet wird, wie die Vinyasa-Yoga Praxis funktioniert. In dem Unterricht wird
eine bestimmte Abfolge von Asanas verfolgt, welche aber in einem langsameren, entspannteren
Tempo präsentiert wird als es im offenen Unterricht (Open) oder im Spiritual Warrior Unterricht
üblich ist.
Spiritual Warrior (spiritueller Krieger)
Der Jivamukti Spiritual Warrior Unterricht ist für jene sehr beschäftigten Menschen konzipiert,
welche nicht mehr als eine Stunde Zeit am Tag für ihre Yoga-Praxis haben. Der Aufbau ist die
Abfolge einer Reihe im Vinyasa-Stil, welche Chanting, Asana-Aufwärmübungen, stehende
Stellungen, Vorwärtsbeugen, Drehungen, Rückwärtsbeugen, Umkehrstellungen, Sonnengrüße,
Entspannungsphasen und Meditation beinhaltet.
In diesem Unterricht legt der Lehrer eher Wert darauf, dass ein bestimmtes Tempo bei der
Ausführung gehalten wird. Spirituelle Anweisungen stehen in dieser Klasse nicht so sehr im
Vordergrund.
In-Class Private (Einzelunterricht)
Yoga wurde traditionell anfangs eins zu eins gelehrt, d. h. ein Lehrer unterrichtete jeweils einen
Schüler:in. In der heutigen, modernen Zeit ist es üblich, dass Yoga im Gruppenunterricht gelehrt
wird. Der Jivamukti In-Class Private Unterricht ermöglicht es dem Schüler, beide Lehrmethoden
gleichzeitig in Anspruch zu nehmen. Das geschieht in der Art und Weise, dass der Schüler und
sein privater, zertifizierter Jivamukti Lehrer an einem regulären Gruppenunterricht teilnehmen.
Dieser In-Class Private Unterricht wird immer mit einer speziellen Tiefenentspannungs-Yoga-
Massage in der Shavasana (Ruhestellung) beendet.
Der private Unterricht kann zu fast jedem Jivamukti Yoga Unterricht genommen werden, wird
aber meistens für den Open Class Unterricht gewählt.
Quellen:
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